Obdachlosenhilfe, Teil 2: Das ehrenamtliche Versorgungsmobil
Gründe, warum Menschen von Obdachlosigkeit betroffen sind, gibt es viele. Eine Hilfestellung in der Not bildet in Münster das ehrenamtlich betriebene und vom Arbeiter-Samariter-Bund koordinierte Versorgungsmobil. Im Gespräch berichten der Versorgungsbus-Mitarbeiter Achim Gössling und Koordinator Thomas Wilmes von der Arbeit des Versorgungsmobils.
Von Andreas Göbel/ A.F.S.-Biotechnik
Herr Gössling, Herr Wilmes, was bietet das Versorgungsmobil?
Gössling: Zunächst einmal haben wir Kaffee und heißes Wasser, das wir mitbringen – von beidem haben wir bei jeder Fahrt etwa 15 Liter dabei. Zusätzlich haben wir Hygieneartikel wie Zahnpasta, Zahnbürsten, Duschgel und Hautcreme dabei, im Sommer natürlich auch Sonnencreme. An einem Abend geben wir zudem etwa 120 bis 150 Tütensuppen aus. Das sind Fertigsuppen, die wir vor Ort aufgießen und in Bechern ausgeben.
Wilmes: Wir haben auch Pflaster und solche Dinge vor Ort, verarzten aber niemanden, sondern geben das den Leuten mit – je nach Bedarf. Wir sind so eine Art Kiosk, wenn man das so ausdrücken möchte. Aktuell fahren wir zweimal in der Woche mit unserem Versorgungsmobil den Bremer Platz an. Dort stehen wir jeden Mittwoch und Sonntag ab 18 Uhr.
Wie kam es zu diesem Angebot?
Wilmes: Mit der ehrenamtlichen Obdachlosenhilfe haben wir 2019 begonnen: Damals hatten wir noch gemeinsam mit den Johannitern ein Zelt aufgebaut, in dem wir im Winter über Nacht einen Platz zum Aufwärmen angeboten haben. Da war die Regel, dass wir das Zelt nur aufbauen durften, wenn die Temperaturen an drei Tagen unter Null lagen – vorher friert man nach der Logik der Verwaltung offenbar nicht. Übernachten war nicht erlaubt. Während der Corona-Lockdowns entstand dann die Idee mit dem Versorgungsmobil. Anfangs durften wir uns aber nur an bestimmte, von der Stadt vorgegebene Hotspots stellen. Das war leider genau da, wo keine Obdachlosen waren. Seit dem Dezember 2022 hat sich der jetzige Standort am Bremer Platz bewährt, auch in der Abstimmung mit dem Ordnungsamt und Polizei. Seitdem sind wir eine feste Größe.
Wie kommt das Projekt bei den Menschen an?
Gössling: Viele warten inzwischen schon auf uns, wenn wir ankommen. Gerade zu dieser Jahreszeit hat man ja einen Drang nach heißen Getränken. Die Leute können sich aber auch eine Tüte mitnehmen und die später zum Beispiel im Haus der Wohnungslosen zubereiten. Viele achten darauf, pünktlich in dem Zeitfenster da zu sein und keinen der beiden Tage zu verpassen – weil sie darauf angewiesen sind.
Wilmes: Gestartet haben wir mit 20 Personen, aktuell kommen 40-50 Menschen während unserer Öffnungszeiten vorbei. Das nimmt aber immer stärker zu. Natürlich gibt es Schwankungen – manchmal kann es sein, dass sogar 70 bis 80 Leute da sind. Dann wird es für uns richtig stressig. Wir sind aber ziemlich stolz darauf, dass wir bisher noch nie einen Tag haben ausfallen lassen müssen. Irgendwie klappt es immer.
Gössling: Erwähnenswert ist auch, dass man keinen Bedürftigkeitsnachweis oder so etwas benötigt, wir schicken niemanden weg. Zum Beispiel habe ich auch schon jemandem einen Kaffee angeboten, der nur auf dem Parkplatz auf Angehörige gewartet hat.
Wie sieht die normale Vorbereitung für einen Einsatz aus?
Gössling: Wir treffen uns ein paar Stunden vorher, um die Vorbereitungen zu treffen. Beispielsweise kochen wir 15 Liter Kaffee, dann müssen wir natürlich unseren Vorrat aufstocken. Sobald wir vor Ort dann aufmachen, kommen schon die ersten Leute. Im Schnitt stehen wir da etwa zwei Stunden. Wenn wir nichts mehr haben, fahren wir wieder. Alles in allem dauert der Einsatz für uns etwa 5 Stunden.
Wie groß ist das ehrenamtliche Team – und beschäftigen Sie auch festangestellte Mitarbeiter?
Wilmes: Das Projekt wird personell ausschließlich vom Ehrenamt getragen. Aktuell haben wir 12 ehrenamtliche Mitarbeiter, darunter sind alle sozialen Schichten und alle Altersgruppen vertreten – von Schülern bis hin zu Rentnern. Auch ein syrischer Flüchtling, der in seiner Heimat als Gynäkologe gearbeitet hatte, ist dabei – und reist jedesmal extra aus Steinfurt an. Aktuell haben wir relativ viel Zuspruch von Freiwilligen.
Warum entscheidet man sich für so ein Engagement – und welche Erfahrungen macht man?
Gössling: Ich mache das schlicht, weil ich es gut finde. Es macht Spaß und man kann sich mit den Leuten unterhalten. Wenn ich sehe, wenn die Leute durchgefroren sind und da mit einer heißen Suppe stehen: Das reicht mir schon, als Ansporn. Wenn man das wie wir schon längere Zeit macht, sieht man aber auch, wie schnell die Leute abbauen. Besonders, wenn Drogen im Spiel sind. Innerhalb von ein paar Monaten nehmen die Menschen ab, verlieren Zähne, das Gesicht verfällt. Das ist schon erschreckend. Bei Obdachlosen, die keine Drogen nehmen, ist das anders: Die sind meist sehr offen und der Gesundheitszustand verändert sich auch nicht so rapide.
Wilmes: Man lernt vor allem, dass Obdachlosigkeit jeden treffen kann. Die Menschen kommen aus allen sozialen Schichten. Manche haben eine ganz normale Ausbildung genossen oder haben ein ganz normales Leben geführt. Manchmal stehen auch psychische Probleme im Hintergrund oder Krankheiten – da ist im Prinzip alles dabei. Obdachlosigkeit hat nicht immer etwas mit Drogen zu tun. Wir können die Welt nicht retten, wir können nur flankierend helfen.
Wie kann man die Arbeit des Versorgungsmobils in Münster unterstützen?
Wilmes: Hilfreich sind natürlich Geldspenden. Aber wir haben seit kurzem auch zwei Bäckereien aus dem Hauptbahnhofsbereich, von denen wir zweimal die Woche rund 400 Backprodukte bekommen, das ist schon großartig. Gleiches gilt für die Spende von 500 kleinen Energie-Packs durch die A.F.S.-Biotechnik. Die werden wir in den kommenden Wochen an die Obdachlosen ausgeben. Von einem anderen Unternehmen bekommen wir Unterstützung durch Man- und Womenpower. In den ASB-Kindergärten gibt es immer wieder Aktionen wie etwa Plätzchenbacken in der Weihnachtszeit. Wir sind natürlich dankbar für jede Spende, bei Sachspenden sollten Spender aber immer erst Kontakt mit uns aufnehmen, um abzuklären, was tatsächlich gebraucht wird.
Herr Wilmes, Herr Gössling, vielen Dank für das Gespräch.
Wer ebenfalls einen Beitrag für die Obdachlosen in Münster oder für eines der vielen anderen Projekte des ASB leisten will, findet weitere Infos auf der Spenderseite des ASB Münsterland. Bei Überweisungen den Verwendungszweck „Obdachlosenhilfe“ angeben.
Allgemeine Informationen zur Wohnungslosenhilfe des ASB finden Sie hier.